Nachlese Textilaktion Evangelischer Kirchentag Dortmund 2019

Bettina Winkelmeier bei Beratung und tatkräftiger Flickarbeit in Dortmund vor Ort

Wir hatten viel erlebt mit textilen Aktivitäten im Soldiner Kieztausch seit 2015. Mit zahlreichen Textil-Akteuren wurde Kontakt gepflegt, mit Textil-Workshops haben wir viele Nachbarn erreicht. Fachlich machte das Lernen der Kleidersortierung bei der Berliner Stadtmission die große Menge nicht-verwertbarer Textilien in unserer Gesellschaft deutlich, mit dem Nähcafe im Lettekiez wurde regelmäßig Erfahrungsaustausch kultiviert, mit dem Projekt HelfenWollen wurden Garne getauscht, mit dem BUND-Projekt ZeroWaste Berlin die eigenen Methoden reflektiert, verschiedene Repair- und Upcycling-Initiativen besucht, weitergehend zahlreiche Kleidertauschveranstaltungen und das www.tauschmobil.de

Gegen Ende der Projektlaufzeit haben wir ausgehend von unseren Erfahrungen und Erkenntnissen eine Aktion für den Evangelischen Kirchentag vorbereitet:

Unser vielseitiges Materialsortiment wurde sehr gut angenommen.

Textile Oberbekleidung – überwiegend sommerliche Oberteile – mit Schäden wurden bereitgestellt. Wir alle haben „Respekt“ vor einem industriellen Fertigprodukt. Wenn ein Objekt aber kaputt ist, dann fällt es leichter wirklich kreativ zu werden – mit Schere, Nadel und Faden, Spitzen/ Borten/ Bändern, Stickgarnen/ Zwirn, Nähmaschine, Applikationen, einer Zweckentfremdung – als ganz anderes Kleidungsstück, als Tasche, als Armband oder als handlicher Wischlappen.

Etwa 90 % der Besucher, die an dem Stand überhaupt stehen geblieben sind, haben das Angebot, sich ein geeignetes Textil auszusuchen und dann an dem zweiten Tisch in dem umfangreichen, vielseitigen Materialsortiment zu kramen, problemlos und gerne angenommen.

Zwei Pädagoginnen erbaten sich Häkelblümchen zur Mitnahme, um genau diese Arbeit in eigenen Gruppen fertigen zu lassen.

Der Gedanke, dass etwas Kaputtes einlädt, wirklich kreativ zu werden, wurde sofort verstanden und vielseitig angenommen. Die jeweilige Umsetzung wurde assistiert – die richtige Nähnadel gefunden, Arbeiten an der Nähmaschine je nach Anfragen umgesetzt oder gecoacht, für Stabilität bei der zukünftigen Nutzung beraten. Das Kirchentagspublikum ist überwiegend deutsch und kultiviert. Alltägliche Stadtteilarbeit in Berlin-Wedding hat auch andere Zielgruppen. Wir hatten in Dortmund zwischenzeitlich auch eine türkische Frau mit ihren vier Kindern zu Gast, die den Weg auf das Jugendgelände des Kirchentages offenbar eher zufällig gefunden hatte (es gab hier keine Eintrittskontrolle). Das älteste Kind (Tochter) war etwa 11 Jahre alt, die anderen drei ca. 5-7. Ein erheblicher Teil unseres Materialpools war wirklich schön und genau das hat die Leute angesprochen. Der etwa fünfjährige Junge wollte unbedingt das (leicht beschädigte) indische Kissen und hat sich gerne eine kleine Flickarbeit zeigen lassen und selbständig umgesetzt. Die Mutter hat sich mehrfach ausdrücklich bedankt, insbesondere auch für ein eigenes Projekt. Die unfertige Häkeltasche hatte es ihr angetan. Sie fand die Lösung für den Tragegriff nicht alleine und bekam dann auch für die weitere Ausarbeitung etwas Hilfe. Für das große Mädchen wäre etwas mehr Beratung sinnvoll gewesen (eigene Kapazität hat hier nicht gereicht). Das Angebot mit schönem Material etwas SELBER herzustellen war auch bei ihr angekommen. Mutter und Tochter hatten nur geringe Vorkenntnisse in Textilarbeiten, vielleicht auch nicht ausreichend Ruhe/ Geduld. Manche Leute suchten unser Angebot für konkrete Reparaturen auf.

Herzlichen Dank an INKOTA e. V. für die Bereitstellung einer geeigneten Infrastruktur vor Ort im Zusammenhang der Initiative „Change your Shoes“, die Erstattung unserer Reisekosten, u. a. und eine sehr angenehme Zusammenarbeit vor Ort in Dortmund.

Ein neuer Kleiderberg wurde bereits gefunden, die grundlegende Wäsche aller Teile ist fast abgeschlossen.

Ausblick

Kaputte Kleidung zu beschaffen ist überhaupt kein Problem. Jeder Kleidertauschveranstalter, das www.tauschmobil.de oder die Berliner Stadtmission sind dankbar, wenn jemand beschädigte Objekte und sonstige „Ladenhüter“ abholt. Jede/r Kunde sucht sich hier die „besseren“ Objekte aus und auch soziale Einrichtungen wollen und müssen ja sinnvoll „verwerten“. Wir nehmen den Textilschrott, wir beschäftigen uns mit den Resten der Reste.

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