Ich hatte gestern die Gelegenheit bei der Berliner Stadtmission in der Lehrter Straße die „Kleidersortierung“ zu lernen und meine Eindrücke aus diesem – recht anstrengenden – Einsatz möchte ich hier gerne schildern. Es passt vielleicht recht gut in die Fastenzeit.
Seit meiner Jugend in den 70er Jahren ist mir selbstverständlich geläufig, dass man gebrauchte Kleidungsstücke in sozialen Einrichtungen für Bedürftige abgeben kann. Während der „Flüchtlingskrise“ 2015/ 2016 haben wir mit Verwunderung gelesen, dass Flüchtlingsheime keine weiteren Kleiderspenden wollten, weil sie mit Kleiderspenden buchstäblich überschwemmt worden sind. Auf Kleidertauschveranstaltungen betrachte ich gelegentlich die Reste, die üblicherweise auch in soziale Einrichtungen geliefert werden. In der Regel kann ich mich freuen, dass meine Mitbringsel direkt eine neue Besitzerin finden. Was passiert nun beispielsweise in der Berliner Stadtmission, wenn zuständige ehrenamtliche oder hauptamtliche Mitarbeiter einen recht ordentlichen Kleidersack auspacken?
Es gibt grob drei Sortierungen
- für Obdachlose kommt nur praktische Kleidung in gedeckten Farben in Frage und es wird hier (zur Zeit) nur noch Herrenkleidung überhaupt gesammelt,
- für den Weiterverkauf gegen kleines Geld in „Komm-und-sieh-Läden“ kommt nur Kleidung in Frage, die nicht abgetragen ist, einwandfrei sauber ist, vollkommen frei von Schadstellen ist und nicht „eigenwillig“ modisch geschnitten ist.
- Alles andere (mindestens 90 % würde ich sagen) geht in Säcke, die wesentlich zum Schreddern von entsprechenden Verarbeitern abgeholt wird.
Wir Neulinge haben nach einer Fusselbürste gefragt, hätten Tierhaare gerne entfernt, damit das eine oder andere gute Objekt in den Karton zum Weiterverkauf landen darf. Wir bekamen keine Fusselbürste, zu zeitaufwendig, nicht lohnend, es ist sowieso genug Material da. Wir waren recht betroffen über ein umfangreiches Sortiment guter, hochwertiger Herrenhemden. Verschmutzungen am Innenkragen gehen in normaler Wäsche häufig nicht richtig raus … alles in den großen Sack zum Schreddern, denn wer würde das kaufen und anschließend die Fleckenbehandlung machen? Ich bin in einem Nähkreis vor ein paar Wochen auf Verwunderung gestoßen, weil ich die aufgeplatzte Naht an einer Jacke repariert habe, um die Jacke später zu verschenken. Doch, das war richtig und die Jacke ging dann gleich in dem Nähkreis passend an eine neue Besitzerin. Ich habe bei der Berliner Stadtmission gefragt, ob man die Details der Sortierung überhaupt weitererzählen darf, weil der „soziale“ Anspruch, den die Geber bei ihrer „Kleiderspende“ wohl vor Augen haben, dort vor Ort nur begrenzt eingelöst werden kann. Doch, das darf kommuniziert werden.
Ich habe in den letzten Jahren eine ganze Reihe Kleidertauschveranstaltungen besucht und kann jetzt sagen: Vieles, das die Sortierkriterien der sozialen Einrichtungen nicht erfüllt, wird auf Kleidertauschveranstaltungen noch genommen. Hier finden sich auch Abnehmer, die an ihrem neuen Kleidungsstück auch mal den fehlenden Knopf annähen. Bitte beachtet bei Euren Kleiderspenden auch die Jahreszeit: Wenn man die riesigen Lager der Berliner Stadtmission (ganze, große Räume mit Säcken bis unter die Decke) einmal gesehen hat, dann versteht man, warum „falsche Jahreszeit“ ein Ausschusskriterium der Sortierung ist. Wer soll die Sommersachen im Winter wo zwischenlagern? Für warme Decken gilt übrigens: Decken aus Naturfasern finden keine Abnehmer und auch hier werden nur gedeckte Farben überhaupt nachgefragt sein. Wir haben zwei Stunden lang zu dritt geholfen. Wir fanden diese Arbeit rückblickend sehr anstrengend. Wir hatten alle drei gute Vorkenntnisse über textile Materialien. Wir mögen Textilien. Vielleicht ist diese Arbeit gerade deshalb für uns so schwer gewesen, denn die Sortierkriterien einzuhalten, das ist uns im Einzelfall wirklich schwer gefallen. Wir konnten uns auch nicht verkneifen, am Ende wenige, einzelne Teile mitzunehmen, um sie vor dem Schreddern zu retten – zur Weiterverarbeitung.
Seit vorgestern (Aschermittwoch) bis 18. April (Gründonnerstag) ist Fastenzeit. Es gibt Fleischfasten, Alkoholfasten, neuerdings auch Plastikfasten, Dingefasten und vieles mehr. Irgendeine Form von Verzicht, Loslassen und das ist regelmäßig eine körperliche und/ oder psychische Erfahrung, ggf. vielleicht eine materielle Erfahrung. Vielleicht habe ich hier den einen oder die andere zu „Textilfasten“ motivieren können – in irgendeiner Form.
Noch ein Nachtrag in dieser Sache: Wer Textilien ohne Umwege über eine soziale Einrichtung direkt zum Schreddern/ Recycling geben will, kann die Sachen auf den Recyclinghöf der BSR abgeben.